Chat-Protokoll Management kollaborativer Netzwerke in Open Source Communitys

Guten Tag allerseits!

Hallo Herr Greve, scheint ja zu gehen aus dem Zug?

ebenso einen angenehmen guten tag

Habe einen früheren Zug genommen – sitze jetzt in Basel am Flughafen.

Sollte also keine Verbindungsprobleme geben.

OK Herr Schikora wird Sie moderieren.

Fein.

Hallo Herr Greve

Freut mich Sie kennenzulernen

Sind Sie immer noch in der FSFE aktiv?

Vielen Dank und gleichfalls, Herr Schikora!

Ja, ich bin noch in der Hauptversammlung aktiv, auch wenn meine Tätigkeit im Moment meist beratend ist.

Nachdem Sie ja fast 8 Jahre als President unterwegs waren, hat man sich das auch verdient, mal “nur” zu beraten.

Graue Eminenz mit 37 ist auch nicht so schlecht.

Haha.

Wir beginnen gleich mit dem Chat.

Herr Schikora moderiert den Chat.

Wir werden diesen Chat sichern und Ihnen zum Nachlesen zur Verfügung stellen. Sie finden dieses Chat-Protokoll jeweils unter den Tagesbereichen.

Management kollaborativer Netzwerke in Open Source Communitys mit Georg Greve.

Dann legen wir mal los.

Herzlich Willkommen liebe Teilnehmer, ich darf sie nun zu einer Stunde Chatinar zum Thema “Management kollaborativer Netzwerke in Open Source Communitys” mit Herrn Greve begrüßen. Die p***enden Folien finden sie wie immer hier: http://www.netbaes.org/NETBAESBLOG/category/donnerstag-31-1

Mein Name ist Tim Schikora. Ich bin Geschäftsführer der Insight Innovation GmbH und Vorstand der Open Source Business Foundation für den Bereich Open Innovation. Ich darf Sie jetzt als Moderator durch die nächste Stunde führen.

oder rechts im Tagesprogramm!

Für alle Gäste gilt, stellen Sie jederzeit Fragen.

Noch einmal, Herzlich Willkommen Herr Greve, stellen Sie sich doch bitte kurz vor.

Sehr gerne, und vielen Dank für die Einladung.

Mein Name ist Georg Greve, ich bin Diplom Physiker, (ehemaliger) Softwareentwickler, Autor, Gründer und ehemaliger Präsident der Free Software Foundation Europe und seit 2010 CEO der Kolab Systems AG, einem 100% Freie Software / Open Source Unternehmen.

Wie sind Sie denn zum Thema Open Source gekommen, und was begeistert Sie noch heute daran?

Softwareentwicklung habe ich mir mit etwa 14 Jahren selber beigebracht.

Damals war der Quellcode & das Design immer verfügbar – und es war völlig normal die Technologie anp***en zu können wie es notwendig war.

Man hätte zum Beispiel die Zensur in diesem Chat einfach abschalten können – nur weil er glaubt wir würden das Hinterteil in Worten verstecken.

Um 1992/93 kam ich mit der PC Plattform in Kontakt, und damit auch mit DOS/Windows. Nach CPC 464 & Atari ST war das eine kalte Dusche.

über einen Freund entdeckte ich GNU/Linux und habe seitdem kein anderes System produktiv eingesetzt – und natürlich darauf weiterentwickelt

Ohne Reflektion damals, aber Freie Software – so kam ich zum GNU Projekt als Richard Stallman mich ansprach

Als ich 1998 angefragt wurde, auf dem CLOWN in Paderborn einen Vortrag über GNU zu halten, habe ich mich zuerst mit den philosophischen Grundlagen tief auseinandergesett

und verstanden, d*** Technologie unsere Gesellschaft formt.

(was Lessig später mit “Code is Law” zusammenf***te)

zur Referenz: http://de.wikipedia.org/wiki/GNU

Mir wurde damals auch klar, d*** das allgemeine Verständnis für diese Zusammenhänge in der Gesellschaft schwach ausgeprägt ist. So kam es zum Entschluss, die FSFE zu gründen.

Was begeistert Sie noch heute daran?

D*** es die einzige nachhaltige Antwort auf die Fragen liefert die unsere Gesellschaft zunehmend stellt. Wer kontrolliert die Technologie? Wie schaffen wir es, die Komplexität zu beherrschen (siehe auch insbesondere Weizenbaum).

Software hat enorme wirtschaftliche und gesellschaftliche Auswirkungen

Letztlich ist Freie Software / Open Source der Ansatz einer Basisdemokratie mit offenem Dialog

Erläutern Sie uns bitte kurz ihr Thema “Management kollaborativer Netzwerke in Open Source Communitys”.

Das Management im Bereich von Open Source wird häufig falsch verstanden und gemacht.

Das liegt zum Einen daran, d*** man Gleiches ungleich behandelt. Und Ungleiches gleich.

Viele Aspekte unterscheiden sich weniger als viele Menschen wahrnehmen.

Können Sie uns dafür ein Beispiel nennen?

Gleich ist natürlich die Anforderung, Probleme lösen zu sollen. Und das Bezahlung als Mittel zur Arbeitsteilung funktioniert. Es gibt das ganze Spektrum an Produkten und Dienstleistungen.

Teilweise sogar mehr, weil Open Source mehr Geschäftsfelder erlaubt.

Aber es ist wichtig zu verstehen, d*** es auch hier Produkte gibt, vereinbarte Leistungen, und Unternehmen die das ganze Professionell betreiben.

Denn manchmal wird versucht mit dem Ansatz “da kann jeder dran rumfummeln” versucht, hier Angst zu erzeugen und irre zu führen.

In meinem Fall machen wir Groupware / Personal Information Management

Also das kl***ische Portfolio von Email, Kalender, Adressbuch, Aufgaben

ganz langweilige Software also, eigentlich

aber sie muss funktionieren

in nahezu allen Fällen ist sie missionskritisch

die Entwicklung und Qualitätssicherung betreiben wir mit Partnern und der grösseren Community

Was der Kunde bekommt geht aber bei uns durch einen entsprechenden Prozess und wird über gesicherte und digital signierte Repositories zum Kunden gegeben

Beim Kunden kommt also nur an was wir geprüft und freigegeben haben

So wie auch bei jedem proprietären Unternehmen

Sie sprechen in ihren Folien von Upstream und Downstream. Was muss man sich darunter vorstellen?

Nur d*** wir dem Kunden die Software mit ALLEN Freiheiten geben die Open Source bietet

Open Source Softwareentwicklung versteht man am Besten wenn man sie als fliessend sieht. Schon im Mythical Man Month steht, d*** es sehr viel leichter ist, ein Problem einmal und für einen Fall zu lösen als für flexible Fälle und nachhaltig.

Wobei nachhaltig bei Software heisst: Es muss Updates geben, sowohl funktional als auch für die Sicherheit.

Denn was stillsteht verrottet

Der “Upstream” sind Projekte deren Technologie ins eigene Produkt einfliesst.

Dort muss Leben herrschen – es braucht aktive Entwickler, idealerweise mindestens 5, und idealerweise mindestens 2-3 beteiligte Unternehmen.

So ist sichergestellt, d*** die Technologie sich an die wandelnden Bedingungen und Anforderungen anp***en kann

und d*** auf Sicherheitsfragen schnell reagiert wird

In diesem “Upstream” beteiligt man sich selber aktiv. So baut man Kompetenz auf, und gewinnt an Vertrauen im Verbund.

Dieses Vertrauen ist essentiell, um hinterher Probleme konstruktiv mit den Anderen lösen zu können – beispielsweise eine Anfrage eines Kunden für ein neues Feature

natürlich kann man das immer alleine machen – aber das wird dann eine Gabelung im Code, ein sogenannter “Fork”

Das ist immer möglich und manchmal notwendig

aber IMMER kostspielig, das Ergebnis muss es also rechtfertigen, und meist tut es das nicht

Die Qualität eines Open Source Unternehmens äussert sich in der Fähigkeit die richtigen Upstream Projekte zu finden und wie es sich mit diesen vernetzt

denn dadurch wird ein Mehrwert für die Kunden gewonnen

Was muss man sich im Gegensatz dazu unter Downstream vorstellen?

Das sind Projekte, Produkte, Distributionen die die eigene Software nehmen und darauf aufbauen oder sie verfügbar machen.

Die GNU/Linux Distributionen sind beispielsweise ein grosser Downstream für alle Open Source Communities

Streng genommen könnte man auch die Kunden als Downstream betrachten

Wobei nur wenige Kunden verstehen welche Möglichkeiten sich ihnen hier eigentlich bieten – oft wird nur nach der “Box” gefragt

Wir haben also am Anfang des Flusslaufs (Upstream) die Projekte die in mein eigenes Produkt einfließen und weiter unten am Fluss (Downstream) die Produkte und Projekte die auf meinem Produkt aufbauen

Dabei wäre viel mehr möglich, aber der Markt wurde da hin erzogen

Ja, und nahezu jede Open Source Community hat Up- und Downstream.

Welche Konsequenzen hat das nun für das Management?

Genauer gesagt: Wer keinen Up- oder Downstream hat ist höchstwahrscheinlich tot.

Bzw auf sich selbst gestellt.

Und damit in derselben Position wie proprietäre Unternehmen

Die müssen die ganze Kette abbilden und betreuuen – während wir an funktionalen Untereinheiten kooperieren können

und daraus entsteht ein grosser Wert

der noch wichtiger ist als die Kosteneinsparung, die sich dadurch auch ergibt

Falsches Management (zu schnell zu forken, zum Beispiel) kann diese Vorteile aber auch zunichte machen – dann geht es einem auch nicht besser als den proprietären Unternehmen

Wie kann man diese komplexe Umgebung richtig managen?

Es klingt für die meisten Menschen paradox, besonders wenn sie Betriebswirtschaft studiert haben, aber das Ziel muss sein, die eigene Technik zum Generi*** zu machen.

Red Hat ist das beispielsweise gut gelungen – und hat es zu einem extrem wertvollen Unternehmen gemacht

Das heisst aber: Alles geht Upstream

Manche Kunden verstehen das nicht auf Anhieb

Die denken “ich habe für die Entwicklung bezahlt, warum soll ich die freigeben”

Die Antwort ist eigentlich einfach: Weil es die laufenden Kosten im Unterhalt teilweise auf Null reduziert.

Und der Unterhalt lässt die ursprünglichen Kosten schnell klein aussehen

Natürlich gibt es auc hhier Ausnahmen

z.B. wenn ein bestimmter Teil unternehmenskritisch ist, dann kann es sich lohnen, den Unterhalt zu übernehmen

Das ist aber selten der Fall, und zudem auch mit Open Source immer möglich

Denn es gibt zwar das Recht, aber nicht die Pflicht zur Veröffentlichung

Aber im Normalfall muss man davon stark abraten – hier wird der Geheimnisaspekt meist stark überschätzt.

ökonomisch ist Open Source dann am Stärksten wenn man mit möglichst vielen Menschen, Unternehmen und Interessen kooperieren kann

@Teilnehmer: bitte Fragen stellen.

Wie lässt sich aus Ihrer Sicht der Downstream am besten integrieren?

Wächst das Verständnis in den Unternehmen für Open Source?

Tim Schikora: Mitwirkung ist die Zauberformel für Up- und Downstream. Beteiligung schafft Vertrauen und meist findet man dort Ideen, Anregungen, Innovation und – ganz wichtig – die besten Mitarbeiter

Wolfhart Hildebrandt: Ja, aber sehr langsam und ungleichmässig. Zu oft wird geglaubt, es ginge nur um Kostenreduktion. Die IT wird oft nur als Kostenstelle wahrgenommen – dabei schafft sie enormen Nutzen und man sollte das Ganze aus Perspektive der Nutzenmaximierung sehen.

Da wäre noch viel mehr möglich.

Welche ersten Schritte empfehlen Sie Unternehmen, die bisher nicht mit Open Source Software in Kontakt gekommen sind?

Schwierige Frage. Gibt es solche Unternehmen heute noch? Laut Gartner sollten ja 100% aller Unternehmen Open Source einsetzen, aber nicht immer bewusst.

Ich würde also an der Kompetenz ansetzen und ein paar Grundlagen einziehen – alleine schon damit man hinterher nicht für dumm verkauft wird.

Die Frage zielt natürlich auf den bewussten Einsatz

Unbewusst tun es letztlich alle.

Denn auch im Open Source Umfeld gibt es natürlich bessere und weniger gute Anbieter, und auch solche die Kunden bewusst irreführen im Glauben, Open Source einzusetzen, aber tatsächlich proprietäre Software verkaufen

Ich denke also man sollte sich Grundlagenkenntnisse aneignen – dafür wären u.A. Organisationen wie die FSFE geeignet die keine wirtschaftlichen Interessen haben.

Hier gibt es sehr viel Wissen zu den Grundlagen – sich das anzueignen dauert nicht lange und rentiert sich später

Dann sollte man sich ein Gebiet heraussuchen wo man auf Open Source setzen will

Die “Big Bang Migration” oder “Grüne Wiese” gibt es nur selten. Und eine grosse Explosion erzeugt oft auch Trümmer.

Man will also eine Strategie die einem erlaubt dies über einen vorher geplante Zeitraum umzusetzen

Anfang*****t ist oft der Server.

Es gibt aber auch andere Beispiele, e.g. LiMux

*Anfangsp unkt

hier wurde direkt auch der Desktop migriert

Aber auch hier ein langes Projekt – eigentlich mehrere in Einem: Organisationsstraffung, Infrastrukturupdate & Einführung von Open Source flächendeckend

auch hier sieht man aber: Einige Fachprozesse existieren im Moment nur auf Windows

War das Projekt aus ihrer Sicht zunächst zu umfangreich?

Da werden dann Terminalserver eingsetzt

Auch Virtualisierung bietet hier viele Möglichkeiten

Es scheint ja manches derzeit nicht ganz rund zu laufen dort.

…sagt Microsoft.

Es war definitiv ein sehr grosses und ehrgeiziges Projekt.

Das unabhängig von Open Source oder nicht sicher nicht einfach ist.

Aber im Rahmen des üblichen sehr gut umgesetzt wurde

Die Migration lag VOR dem Zeitplan, am Ende

Und das Budget sah auch sehr gut aus – mit 10m EUR Einsparung – und einem erheblichen Zusatznutzen

Kennen Sie einige der Erfolgsfaktoren dieses Projekts?

Ja, ich hatte das Privileg damals noch für die FSFE mit OB Ude gemeinsam das Projekt zu “eröffnen”

Daher hatte ich einen gewissen Einblick denn ich habe es auch hinterher mit Interesse verfolgt

Faktor 1: Der politische Wille. OB Ude stand und steht fest zu einer Strategie die München aus der Abhängigkeit befreit.

In anderen Projekten wird oft versucht, die Leitung unter Druck zu setzen. Das geht zum Teil ja sogar bis ganz nach oben (siehe Dänemark & Drohung Arbeitsplätze abzuziehen)

Es braucht das Verständnis WARUM man diesen Schritt macht auf allen Ebenen, ansonsten wird es schwer.

Bitte kommen Sie zur letzten Frage.

Faktor 2: Die Nutzer mitnehmen.

Wenn man die Nutzer nicht mitnimmt dann wird es schwierig. In München hat man von der Eröffnung (mit Erklärung des WARUM? machen wir das) die Nutzer mitgenommen

Wir müssen nun leider schon zum Ende kommen. Haben Sie noch letzte Worte an unsere Teilnehmer?

Faktor 3: verstehen, d*** man auch mit Open Source gute Mitarbeiter und professionelles Management braucht.

Wenn proprietäre Projekte fehlschlagen, was regelmässig vorkommt, heisst es “schlechtes Management”, wenn Open Source Projekte fehlschlagen dann heisst es “Open Source”

Letzte Worte? Ich hoffe nicht.

Aber:

Open Source wirkt vielleicht auf den ersten Blick ungewöhnlich. Auf den zweiten Blick unterscheidet es sich weniger als man denkt.

Und der Nutzen ist enorm.

Daher ist es wert, sich damit näher zu bef***en.

Sprechen Sie gerne die Organisation oder Person Ihres Vertrauens an.

Ich möchte mich bei Ihnen Herr Greve, und bei den Teilnehmern für den sehr guten Chat bedanken. Bei uns geht es dann um 18 Uhr mit diesem Thema weiter: “Der Open Innovation Canvas im Management eines Innovationsprojekts am Beispiel eines Open Source Konsortium”

Gerne auch mich. Ich gebe Ihnen dann Hinweise wo Sie den Einstieg finden.

Ich darf Sie übrigens von Holger Dyroff grüßen, der hier gerade neben mir sitzt.

Danke für die Einladung und Aufmerksamkeit!

Ganz herzlichen Dank Herr Greve.

Wie gesagt, der Chat kann in Kürze im Tagesmenü nachgelesen werden.

Sehr gerne. Ich hoffe es hat Ihnen und den “Zulesern” etwas gebracht.

Sicher, es war sehr spannend.

31. Januar 2013 – 17:01